28.9.2025: Der kleine Igel und das verlorene Geräusch
Am Rand einer Wiese, gleich neben einem alten Apfelbaum, lebte ein kleiner Igel namens Ignaz. Ignaz war ein freundlicher Kerl, aber etwas schreckhaft. Jedes ungewohnte Geräusch ließ ihn zusammenzucken, und bei unbekannten Tönen rollte er sich sofort zu einer stacheligen Kugel.
„Du musst keine Angst haben“, sagte die Amsel oft. „Nicht jedes Rascheln ist gefährlich.“
Aber Ignaz konnte nicht anders. Besonders nachts, wenn der Wind durch das Gras strich, hörte er so viele Dinge, die er nicht kannte: ein leises Knacken, ein fernes Flattern, ein dumpfer Ton aus dem Wald.
Eines Abends, als der Himmel schon mit Sternen übersät war, hörte Ignaz ein neues Geräusch. Es war zart, fast wie ein Summen, das über die Wiese glitt.
Er rollte sich sofort zusammen. Doch dann blieb er liegen und horchte.
„Das klingt… gar nicht bedrohlich“, murmelte er.
Neugierig lugte er aus seiner Kugel und folgte dem Geräusch. Er stapfte leise durchs hohe Gras, bis er auf eine Glühwürmchen-Familie traf, die tanzend durch die Nacht flog.
„War das euer Summen?“ fragte Ignaz schüchtern.
„Das war unser Lied“, sagte das größte Glühwürmchen freundlich. „Wir singen es, wenn wir glücklich sind.“
Ignaz lächelte. Zum ersten Mal hatte ein unbekanntes Geräusch ihn nicht erschreckt – sondern neugierig gemacht. Er setzte sich ins Gras, beobachtete das Flackern der kleinen Lichter und lauschte dem nächtlichen Summen.
Als er später zurück zu seinem Laubhaufen trottete, hörte er noch viele andere Geräusche: das leise Plätschern eines Bachs, das Zirpen einer Grille, das Schnaufen eines Wildschweins in der Ferne. Und diesmal rollte er sich nicht ein. Denn jetzt wusste er: Nicht jedes Geräusch will einem Angst machen.
Manche sind einfach nur da – wie Freunde, die man noch nicht kennt.
Gute Nacht.
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