20.7.2025: Die Schnecke und der Wind
Im Herzen einer duftenden Sommerwiese lebte eine kleine Schnecke namens Lilli. Lilli war langsam – wie Schnecken nun einmal sind – und sie mochte das auch so. Sie liebte es, den Tau auf den Blättern zu zählen, sich im Schatten der Blumen auszuruhen und den Geschichten der Käfer zu lauschen, wenn sie abends heimkehrten.
Doch eines Tages kam der Wind. Er rauschte durch das hohe Gras, ließ Blüten tanzen und rief laut:
„Los, kommt! Bewegt euch! Seid schnell! Die Welt wartet nicht!“
Die Grashüpfer sprangen aufgeregt umher. Die Schmetterlinge flatterten höher als sonst. Selbst die Ameisen liefen doppelt so schnell.
Nur Lilli blieb still.
„Warum rührst du dich nicht?“ fragte der Wind. „Willst du nicht auch fliegen, rennen, springen?“
Lilli schüttelte den Kopf. „Ich mag es, langsam zu sein. So sehe ich mehr. So verstehe ich besser.“
Der Wind wurde leiser. „Aber verpasst du so nicht das Leben?“
„Nein“, sagte Lilli sanft. „Ich begegne ihm nur anders. In Ruhe.“
Der Wind schwieg einen Moment. Dann legte er sich, ganz sanft, auf die Wiese. Die Halme wiegten sich still, der Abend wurde weich, und die Geräusche der Wiese wurden wieder leise.
„Vielleicht hast du recht“, flüsterte der Wind. „Manchmal braucht selbst der Wind eine Pause.“
Und so blieb er noch ein wenig bei Lilli, während die Sonne langsam unterging und die Wiese in goldenes Licht tauchte.
Lilli zog sich in ihr Schneckenhaus zurück, zufrieden mit ihrem Tag, ihrem Tempo und der Stille.
Gute Nacht und träume süß.
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