31.8.2025: Die Schildkröte und der Stern

Es war einmal eine kleine Schildkröte namens Selma. Selma lebte an einem ruhigen See, zwischen Seerosen und Grashalmen, und war für ihr Alter ungewöhnlich nachdenklich.

Jeden Abend, wenn der Himmel dunkel wurde, blickte sie zu den Sternen. Besonders ein Stern hatte es ihr angetan – er funkelte heller als alle anderen und stand immer genau über dem alten Birkenbaum.

„Wenn ich nur ein einziges Mal dort oben sein könnte“, seufzte Selma leise. „Nur einmal die Welt von oben sehen.“

Der Fisch lachte, als sie ihm davon erzählte.
„Du bist eine Schildkröte“, sagte er. „Du kriechst, du schwimmst – aber du fliegst nicht.“

Auch der Reiher schüttelte nur den Kopf.
„Man muss wissen, was möglich ist“, meinte er. „Träume sind schön – aber bleib lieber am Boden.“

Selma schwieg. Doch sie hörte nicht auf zu träumen.

Jeden Abend kroch sie ein Stück weiter. Erst zum Baum, dann den Hang hinauf, über Wurzeln und Steine. Immer langsam, immer stetig. Sie wusste: Sie würde den Stern nie berühren. Aber sie wollte ihm näherkommen – so nah, wie es eine Schildkröte eben konnte.

Nach vielen, vielen Nächten stand sie schließlich auf dem höchsten Hügel in der Nähe des Sees. Über ihr der Stern – still, hell, freundlich. Selma setzte sich ins Gras, atmete tief ein und spürte: Sie war angekommen.

Nicht weil sie oben am Himmel war. Sondern weil sie ihr Ziel erreicht hatte, mit Mut, mit Geduld – und ohne sich selbst zu verlieren.

In dieser Nacht schlief Selma unter freiem Himmel ein. Der Stern stand über ihr. Und wenn man genau hinsah, schien er ihr zuzuzwinkern.

Gute Nacht.

Botschaft der Fabel:
Auch wenn man nicht fliegen kann, darf man träumen. Wer geduldig seinem Weg folgt, kommt oft viel weiter, als andere glauben.

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