4.5.2025: Die kleine Eule und der Gedanke, der nicht schlafen wollte
An einer alten Buche, hoch oben über dem nächtlichen Wald, lebte eine kleine Eule namens Elli. Elli war noch jung und lernte gerade, wie man nachts fliegt, leise landet und gut zuhört. Doch es gab etwas, das sie viel schwieriger fand: das Einschlafen.
Immer wenn sie sich in ihr weiches Nest kuschelte, kam ein Gedanke, der sie wachhielt. Heute war es ein ganz bestimmter Gedanke: „Was, wenn ich morgen beim Fliegen etwas falsch mache?“
Elli drehte sich nach links, dann nach rechts. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder, zählte Sterne, hörte dem Wind zu – aber der Gedanke blieb.
„Was machst du denn noch wach?“ fragte der alte Kauz Konrad, der ein paar Äste weiter wohnte.
Elli zögerte. „Ich kann nicht schlafen. Ich denke nach.“
„Worüber denn?“
„Ich fürchte, ich werde morgen etwas falsch machen. Vielleicht fliege ich zu schnell. Oder zu langsam. Oder ich fliege gegen einen Ast.“
Konrad nickte langsam. „Verstehe. Weißt du, ich hatte früher auch solche Gedanken. Ich nannte sie meine ‚Mitternachtszweifel‘.“
„Und wie hast du sie losgeworden?“
„Ich habe sie mir angehört, sie freundlich verabschiedet – und ihnen versprochen, dass ich mich morgen darum kümmere. Dann bin ich eingeschlafen.“
Elli sah ihn erstaunt an. „Einfach so?“
„Nicht ganz. Ich habe sie auf einen Ast gesetzt – in Gedanken. Ich habe gesagt: ‚Hier ist dein Platz. Du darfst morgen wiederkommen, aber jetzt ist Schlafenszeit.‘“
Elli überlegte einen Moment. Dann schloss sie die Augen und stellte sich vor, wie sie ihren Gedanken vorsichtig auf einen Ast neben ihr setzte.
„Du darfst morgen wiederkommen“, flüsterte sie, „aber heute Nacht will ich fliegen – durch meine Träume.“
Und kaum hatte sie das gesagt, wurde ihr Atem ruhiger, ihre Flügel schwerer, und der Gedanke, der nicht schlafen wollte, schlief endlich ein.
Elli tat es ihm gleich.
Gute Nacht und träume süß.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen